In diesem Beitrag finden Sie eine Zusammenfassung des Romans Sansibar oder der letzte Grund von Alfred Andersch sowie unsere Unterrichtsmaterialien dazu.
Um was geht’s?
Das Richtige tun und nicht auffallen
Im Herbst 1937 treibt das Schicksal fünf Menschen im Küstenort Rerik zusammen, die alle eine Gemeinsamkeit besitzen: Sie wollen Nazideutschland per Boot illegal verlassen. Dies streben sie jedoch aus völlig unterschiedlichen Gründen an: Gregor ist KPD-Funktionär und an illegale Aktivitäten im Untergrund gewöhnt, der Ex-KPDler Knudsen muss sich um seine schwer kranke Frau kümmern. Judith ist Jüdin und fürchtet daher um ihr Leben, Knudsens Schiffsjunge sieht die mögliche Flucht hingegen wie eine Träumerei. Der örtliche Pfarrer Helander wiederum will die von den Nazis verbotene Holzplastik Lesender Klosterschüler hinausschmuggeln – eine Mission, die schließlich alle eint.
Zusammenfassung Sansibar oder der letzte Grund
Ort der Romanhandlung ist Rerik, ein kleiner Ostseehafen zwischen Wismar und Rostock, an der mecklenburgischen Ostseeküste. Hier treffen an einem Oktobertag 1937 fünf Menschen aufeinander: Ein Junge, ein Funktionär der Kommunistischen Partei, ein Ostseefischer, der Pfarrer der Reriker St. Georgenkirche und eine Jüdin aus Hamburg. Zentrale Motive des Romans sind Flucht und Freiheit.
Andersch lässt dabei die fünf Romanfiguren, nach Herkunft und Weltanschauung völlig verschieden, nach und nach in Beziehungen zueinander treten. Gemeinsam ist allen das Problem der persönlichen Freiheit, mit Ausnahme des Jungen die Ablehnung des Nationalsozialismus und aus unterschiedlichen Motiven und Nöten der Wille zur Flucht. Die Holzplastik Lesender Klosterschüler wird dabei zum verbindenden und die Handlung vorantreibenden Dingsymbol.
Der – namenlose – Junge will fort, einfach, weil in Rerik nichts los ist, zudem, weil er darunter leidet, dass sein Vater, auf der offenen See umgekommenen, verspottet wird. Ergänzend kommt pure Abenteuerlust des Huckleberry Finns Abenteuer lesenden Jungen hinzu: So lockt ihn Sansibar hinter dem Meer. Der sich unverstanden fühlende Junge und sein Hang zur Ferne, die auch eine Flucht vor den Erwachsenen ist, verkörpert die Jugend, steht für deren Hoffnungen und Ausbruchversuche aus der – für sie erstarrten – Welt der Erwachsenen. Die Hoffnung des Jungen gibt dem Roman den Titel. Der Junge arbeitet auf dem Boot des Küstenfischers Knudsen. Auch er – letztes aktives Mitglied der illegalen KPD am Ort – möchte Rerik entfliehen; seine Enttäuschung über das Scheitern und seiner Ansicht nach zaudernde Versagen der KPD hat ihn verbittert. Seine geistesverwirrte Frau bindet, ja zwingt ihn an Rerik; solange er sich hier „wohlverhält“, politisch passiv bleibt, gerät sie nicht als „unwertes Leben“ in die Fänge der Nazis (der „Anderen“).
Der dritte Einheimische ist Helander, Pfarrer der St. Georgenkirche in Rerik. Sein Anliegen ist die Rettung der Figur Lesender Klosterschüler in seiner Kirche, die von den Nazis als „entartete Kunst“ beschlagnahmt werden soll. Von auswärts kommt die junge Judith Levin, eine Hamburger Jüdin aus großbürgerlichem Elternhaus, nach Rerik. Ihre Mutter hat Selbstmord begangen, um den Verfolgungen des Nationalsozialismus zu entkommen. Judith hofft, mit einem schwedischen Schiff dem drohenden Konzentrationslager zu entgehen. Gregor, Instrukteur des Zentralkomitees der KPD, soll einen Parteiauftrag an Knudsen weiterleiten. Da er in einer Sinnkrise sich selbst und seiner Partei gegenüber steckt, möchte er diese Gelegenheit nutzen, sich nach Dänemark oder Schweden abzusetzen. Die unterschiedlichen Fluchtmotive und der Lesende Klosterschüler bilden so das Gerüst, das die vereinzelten, vereinsamten und isolierten Personen zueinander in Aktion bringt: Knudsen soll auf Bitte des Pfarrers Helander die Holzplastik nach Schweden in Sicherheit bringen.
Die Handlungszeit umfasst lediglich einen Oktobertag des Jahres 1937: Von der Ankunft Gregors und Judiths am späten Mittag bis zum Morgengrauen des folgenden Tages. Die gelungene Flucht zieht sich bis in den nächsten Tag, wenn die rettende schwedische Küste erreicht ist. Im Verlauf dieses Tages erkennt der Funktionär Gregor, dass sein Parteiauftrag, Knudsen von einer neuen, im Untergrund arbeitenden Parteiorganisation in Fünfergruppen zu überzeugen, zum Scheitern verurteilt ist. Zudem löst er sich selbst innerlich vollends von der Partei. Der Anblick der Plastik Lesender Klosterschüler vermittelt ihm die Einsicht, dass der Mensch ohne fremden Auftrag, also frei, handeln kann und muss. Statt der Parteiaktion, die ihn nach Rerik geführt hat, gelingt es ihm, durch energischen Einsatz Knudsen dazu zu bringen, zusammen mit dem Jungen Judith und die Plastik im Schutze der Nacht nach Schweden zu bringen und damit zu retten.
Der Junge unterstützt ihn dabei gegen seinen Fischer Knudsen, um nach Schweden zu gelangen. Von dort aus will er seinen Traum von einem freien Leben verwirklichen. Am Ende kehrt er dann aber doch mit Knudsen nach Rerik zurück. Er befreit sich von seiner kindlichen Flucht- und Abenteuerlust und wählt die Verantwortung. Helander muss, da die Plastik verschwunden ist, mit seiner Festnahme rechnen. Folter und Inhaftierung würde er einer Entzündung am amputierten Bein und einer Diabetes wegen nicht überstehen. Er erzwingt im Kampf gegen die „Anderen“ seine Erschießung, indem er auf die Männer, die ihn zum Verhör abholen wollen, schießt. Gregor, der die Möglichkeit mit Knudsens Boot nach Schweden zu flüchten ausgeschlagen hat, geht allein aus Rerik wieder fort.
Zusammengefasst von Günter Krapp, Jürgen van de Laar und Julia Biedermann.